Politik trifft Lebenshilfe

Politik-Talk zwischen Menschen mit Handicap und Duisburger Kandidaten zeigt: Barrierefreiheit bleibt eine große Aufgabe
Bereits seit 2014 lenkt das Format „Politik trifft Lebenshilfe“ den Blick auf dringende Anliegen für mehr Inklusion in Duisburg. Kurz vor der Kommunalwahl 2025 luden die Lebenshilfe Duisburg und die LebensRäume wieder zu einem Austausch ein. In der gemeinsamen Geschäftsstelle an der Wintgensstraße fühlten Menschen mit Handicap den anwesenden Lokalpolitikern auf den Zahn: Was tut die Politik für Inklusion? Und wie wird Duisburg wirklich barrierefrei?
Sorge vor Kürzungen
Viele Teilnehmer äußerten Angst vor den Sparplänen von Bundeskanzler Merz. Sven vom Lebenshilfe-Rat sprach aus, was vielen Betroffenen unter den Nägeln brennt: „Wir haben große Sorge, was passiert, wenn bei der Eingliederungshilfe gekürzt wird.“
Wohnraum für Menschen mit Handicap
Ein weiteres zentrales Thema war bezahlbarer und barrierefreier Wohnraum. Alle Politiker waren sich einig: Hier muss in Duisburg mehr passieren. Oliver Alefs, OB-Kandidat der FDP, sprach sich dafür aus, mehr zu bauen, Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken und sozialen Wohnungsbau auch für Investoren attraktiver zu machen. Bezirksbürgermeisterin Elvira Ulitzka (SPD) zeigte sich skeptisch: Es sei schwer, Investoren für sozialen Wohnungsbau zu begeistern. Ihr Vorschlag: Bestehende Wohnhäuser in puncto Barrierefreiheit nachzurüsten und dafür Fördermittel nutzen.
Menschen mit Handicap wünschen sich aber mehr. „Wir wollen echte Inklusion, also gemeinsames Wohnen von Menschen mit und ohne Handicap unter einem Dach“, unterstreicht eine Teilnehmerin. Außerdem gebe es noch viele Hindernisse im Wohnumfeld wie wacklige Gehplatten oder nicht barrierefreie Haltestellen. SPD-Politiker Torsten Steinke erklärte, dass schon 78 Prozent der Haltestellen barrierefrei seien. „Unser Ziel ist 100 Prozent, Duisburg ist auf einem guten Weg.“
Auch Schulen in den Fokus nehmen
Hans Duwensee von der AG Handicap, selbst ehemaliger Berufschullehrer, machte deutlich, dass auch Schulen dringend barrierefreier werden müssen – besonders für Rollstuhlfahrer. Grünen-Kandidat Sebastian Ritter räumte ein: „Für eine barrierefreie Stadt gibt es in Duisburg noch viel zu tun.“ Er betonte, dass ein besserer Austausch wichtig sei, auch in den Stadtteilen. „Es muss einen direkteren Draht geben zwischen Menschen, die Hilfe benötigen, und Menschen, die Entscheidungen treffen und helfen können.“
Elvira Ulitzka berichtete, dass die Hürden für mehr Inklusion leider oft hoch seien: Schon die Umrüstung eines Spielplatzes mit einer Rollstuhl-Schaukel sprenge finanziell alle Dimensionen: „Es ist sehr ärgerlich, dass solche Dinge so teuer sind.“
Auch Sprache ist eine Barriere
Doch nicht alle Barrieren sind auf den ersten Blick erkennbar. Dass auch Sprache eine Hürde darstellen kann, stellte das Politik-Meeting selbst unter Beweis: Viele Politiker taten sich an diesem Abend schwer damit, ihre Botschaften einfach und verständlich zu formulieren. Für Menschen mit Handicap gehören solche Hürden zum Alltag, so Sven vom Lebenshilfe-Rat: „Anträge beispielsweise sind viel zu schwer geschrieben.“
Sebastian Ritter räumte ein, dass auch er amtliche Schreiben oft schwer verstehen kann. Sein Lösungsvorschlag: Die Stadtverwaltung könnte moderne KI-Übersetzungshilfen nutzen, um Schreiben in einfache Sprache zu übertragen. „Das hilft auch Menschen, die nach Duisburg gekommen sind und noch nicht so gut Deutsch können“, ergänzte er.
Ein Bewohner einer Wohngemeinschaft bot Einblicke in seinen Lebensalltag. Er schilderte sehr eindrücklich, worin sich seine Behinderung äußert und dass Faktoren wie Verlässlichkeit und Vertrauen zu Mitarbeitern Erfolgsfaktoren sind, gut im Leben zurechtzukommen.
Weitere Probleme im Alltag
Viele Teilnehmer berichteten in der Diskussionsrunde von weiteren Hürden, denen sie im Alltag begegnen. Eine Fußballspielerin mit Handicap lenkte beispielsweise den Blick auf Inklusion in den Sportvereinen, während ein junger Mann den Mangel an therapeutischen Angeboten in Duisburg kritisierte: „Was soll mit Menschen passieren, die Hilfe benötigen?“
Die Diskussionsrunden zeigten: Nicht alle Themen lassen sich in Duisburg lösen. Auch für die Landespolitik und für die Bundespolitik bleibt viel zu tun. „Wir dürfen im Bereich Inklusion nicht sparen“, appellierte Barbara Laakmann (Die Linke) und erntete damit breite Zustimmung.